Klassisches Volkstheater? Das will Traugott Krischkes 20er-Jahre-Stück »Das Fräulein Pollinger« auf keinen Fall sein. Die bissige Gesellschaftssatire […] verharrt über weite Strecken im Gebaren des klassischen Volkstheaters: Schmutzige Witze werden ausgetauscht, es wird mit bayerischem Akzent gesungen und der Zuschauerraum dient als Wirtshaus, in dem das Publikum an Bierbänken sitzt und unter einem Himmel aus Lichterketten Weißweinschorle schlürft. […]
mehrKlassisches Volkstheater? Das will Traugott Krischkes 20er-Jahre-Stück »Das Fräulein Pollinger« auf keinen Fall sein. Die bissige Gesellschaftssatire ist jetzt im Theater tri-bühne zu sehen […].
Das Stück […] verharrt über weite Strecken im Gebaren des klassischen Volkstheaters: Schmutzige Witze werden ausgetauscht, es wird mit bayerischem Akzent gesungen und der Zuschauerraum dient als Wirtshaus, in dem das Publikum an Bierbänken sitzt und unter einem Himmel aus Lichterketten Weißweinschorle schlürft […].
Gerade noch schlägt Agnes Pollinger mit keckem Wimpernaufschlag den ihr angebotenen Politikteil der Zeitung aus (sowas ist schließlich nichts für Frauen) […]. Gerade sitzt sie noch schmatzend und mit roten Backen an der Seite eines angesehenen Eishockey-Spielers im Restaurant. Doch im nächsten Moment schon bricht ihr die Aussichtslosigkeit ihrer Situation das Herz: Für den Künstler ist sie nur ein Objekt, für den Eishockeyspieler sowieso. Beide wollen einzig ihren Körper – und das tut weh. Verständlich. Aber hätte man die zünftigen Wirtshausbilder, die derben Dialoge und all die Lieder, die vom schönen Leben erzählen, während Pollinger zur Prostituierten absteigt, nicht etwas deutlicher brechen müssen?
Aufgefangen wird die Wandlung dann vor allem in den letzten beiden Szenen. Hier wird Agnes Pollinger (eindrücklich gespielt von Natascha Kuch) plötzlich verletzlich. Mit einem Mal schreit sie, verzweifelt wie ein verwundetes Tier. Mit einem Mal ist sie resigniert, traumatisiert und sich selbst völlig fremd geworden. Hier wird dann nicht nur der Absturz einer Frau gezeigt, sondern auch ein ganzes Gesellschaftssystem demaskiert, das sie bis an den Rand getrieben hat.
Die Inszenierung fügt dem Stück dann noch einen alternativen Schluss hinzu, eine Variation der ersten Szene […]. Letztlich findet das Stück so doch noch zu seinem klaren, starken Schlussstatement.
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