Wie in der tri-bühne üblich wird Shakespeares berühmte Liebestragödie als handfestes, poetisches, den Zuschauern Raum zur Fantasie lassendes Schauspiel auf die rohe Gerüstbühne vor den malerischen Renaissance-Galerien des Alten Schlosses gebracht. […]
mehr»Romeo ist ein Schwarzer. Das ist eine der Besonderheiten der Aufführung von Shakespeares ›Romeo und Julia‹ im Innenhof des Alten Schlosses in Stuttgart, die vom tri-bühne-Ensemble unter der Regie von Edith Koerber gespielt wird. Das gibt dem Hass der feindlichen Veroneser Geschlechter der Capulets und der Montagues zusätzliche Motivation: ›Was will der Neger
hier!‹, schreit der wütende Tybalt, als er Romeo unter seiner Bimbomaske auf dem Ball der Capulets erkennt.
Wie in der tri-bühne üblich wird Shakespeares berühmte Liebestragödie als handfestes, poetisches, den Zuschauern Raum zur Fantasie lassendes Schauspiel auf die rohe Gerüstbühne vor den malerischen Renaissance-Galerien des Alten Schlosses gebracht. Eine Truppe Gaukler stürmt herein, sie streiten und prügeln sich, plötzlich sind Degen mit im Spiel, es wird gefochten, Tybalt und Benvolio im hitzigen Kampf, die alten Herren Capulet und Montague sind auch dabei mit ihren keifenden Damen…
Pater Lorenzo (Eberhard Boeck) sieht in der plötzlichen Liebe Romeos und Julias eine Chance, den uralten Hass zu befrieden. Und die Kulisse des Alten Schlosses spielt mit. Von der Galerie sieht Julia den Spross der Montagues zum ersten Mal, wie ein Reckturner hangelt sich Romeo an den Gerüststangen zu ihr hinauf. Edith Koerbers Inszenierung charakterisiert die beiden schon durch ihre Körpersprache unheimlich gut: Carolin Elsner spielt die junge Julia wie ein munteres Vögelchen, der ivorische Tänzer, Sänger und Schauspieler Yahi Nestor Gahe bewegt sich geschmeidig, mit animalischer Grazie, in seiner eigenen Welt…
Während die Schauspieler und Zuschauer bei der Premiere am Freitag trotz Nieselregens bis zum Schluss durchhielten, sind die Bedingungen am zweiten Abend nahezu ideal. Als sich kurz vor 22 Uhr eine wolkenlose Nacht über Stuttgart senkt, geht es für Julia und Romeo zum letzten Abschied auf der scheinwerferbestrahlten Galerie. Zuvor hat Shakespeare wie im Zeitraffer den Sog des Schicksals beschleunigt: Mercutio von Tybalt, Tybalt von Romeo erschlagen, dieser nach Mantua verbannt, Julia mit dem schmalzigen Grafen Paris zwangsverlobt zwecks morgiger Heirat. Stark, wie Carolin Elsner die
Wandlung zur todesmutigen Frau vollzieht, die sich auf das Experiment mit Pater Lorenzos Scheintod-Medizin einlässt, um sich für Romeo zu retten. Großartig auch, wie Natascha Beniashvili-Zed als umtriebige Amme auf Russisch flucht, ohne sie doch beschützen zu können, und schauspielerisch exzentrisch Christian Sunkels Mercutio. Rührend der Schluss mit Romeo und Julia eng umschlungen auf dem Totenbett. Gelungenes Freilichttheater.«
weniger