Krach im Hause Gott

Ein modernes Mysterienspiel und eine himmlische Komödie
von Felix Mitterer |
Regie: Edith Koerber

Die Fiktion eines philosophischen Disputs zwischen höchsten Wesen hat die Dichter immer wieder fasziniert. Der bekannte österreichische Dramatiker und Drehbuchautor Felix Mitterer bringt das wichtigste himmlische Personal ins Spiel und packt noch eine gehörige Portion Humor auf die Philosophie.

Denn er betrachtet auch die familiären Aspekte der heiligen Dreifaltigkeit und des ewigen Widersachers. So schafft Mitterer Spielraum für überraschende Mannschaftskonstellationen, weltliche Vater-Sohn-Konflikte, kleinliche Familienzwiste und Sticheleien fast schon biblischen Ausmaßes.

Der hochdramatische Ausgangspunkt dieses Stückes ist ein eilig einberufenes Meeting: Gott ist der Menschheit und ihres unseligen Treibens endgültig überdrüssig und ruft das Jüngste Gericht aus. Der Patriarch und der Heilige Geist, subaltern und beflissen, plädieren vehement dafür, das Experiment Mensch als gescheitert zu betrachten und die dubiose Spezies zu vertilgen. Auf der Gegenseite, als kontrastreiche Allianz der Verteidigung: Jesus Christus, voller Menschenliebe, sowie Satan, jovial, verführerisch, zielgerichtet und ökonomisch.

Das Schicksal der ahnungslosen irdischen Gesellschaft hängt an einem hauchdünnen Faden – bis Maria die Herrenrunde aufmischt. Mit viel gescheitem Witz und Charme entlarvt sie überkommene, patriarchale Machtstrukturen, rückt die Religionsgeschichte zurecht und bringt die anwesenden Herren ganz schön aus der Fassung…

Kritiken

Esslinger Zeitung | 25.10.2013

Mit viel Wortwitz

Edith Koerber, Leiterin der Stuttgarter tri-bühne, hat das fast 20 Jahre alte Lustspiel mit hochkarätigem Personal ohne aktuellen Zeitbezug, aber durchaus unterhaltsam inszeniert…

Alexej Boris gibt den souveränen Allmächtigen im gediegenen Manager-Outfit (Kostüme: Renáta Balogh): schwarzer Anzug, weiße Weste. Immer wieder versucht er die Hitzköpfe Jesus (leidenschaftlich: Manoel Vinicius Tavares da Silva), der ihm vorwirft, am Kreuz »von allen guten Geistern verlassen worden zu sein« und dessen Wunden immer wieder bluten, und Satan zur Räson zu bringen. Severin Gmünder ist ein wahrer Teufelsbraten; respektlos, frech und gerissen. Er kann mit moderner Technik wie dem Kaffeeautomaten mit Gottes Auge als Emblem umgehen, erhält aus dem Wasserspender Rotwein, wo die anderen Wasser zapfen, und telefoniert in typischer Managermanier ständig mit dem Handy.

Auch Marcus Michalski hat seinen Geist im Griff. Im biederen Büroangestelltenanzug verhält er sich wie ein Papagei, verhuscht-schnöselig redet er dem Chef nach dem Mund. Heilige und Hure ist Sofie Alice Miller. Sie spielt alle weiblichen Rollen von Marylin Monroe, die als sexy Vorzimmerdame im himmlischen Unternehmen anheuern will, bis zur Muttergottes.

Als Maria mischt sie die Herrenrunde auf und bezieht klare Position. Sie will Wahrheit und hält eine Bibelstunde aus weiblicher Perspektive, kritisiert das Patriarchat der katholischen Kirche. Der alte Herr muss ordentlich einstecken. Vor Luzifer gibt er klein bei, und Maria gesteht er, dass er eifersüchtig auf sie war. Der Verhandlungsmarathon strengt zusehends an. Gott wird müde und vertagt die Sitzung. Ausgang bis heute offen.

Mit viel Wortwitz bringt Felix Mitterer Widersprüche der christlichen Lehre und gesellschaftlich-moralische Fragen nach der Verantwortung für die Welt als klassische Familienkonstellation ins Spiel…

Petra Bail
Stuttgarter Nachrichten | 13.10.2013

Mit noch bissigerem Witz

Vor knapp zwei Jahrzehnten hatte tri-bühne-Chefin Edith Koerber die deutsche Erstaufführung von Felix Mitterers Komödie »Krach im Hause Gott« für eine witzige Bühnenabrechnung mit der Weltferne des Unternehmens Gott genutzt. Mit noch bissigerem Witz… wütet Koerbers Neuinszenierung des »modernen Mysterienspiels« gegen die Abwesenheit des Allmächtigen. Den Familienkonzern Gott hat Bühnenbildner Stephen Crane in einer Chefetage mit kaltem Designerlook angesiedelt. Hier lassen die himmlischen Manager im feinen Businesszwirn (Kostüme: Renáta Balogh) bei ihren Schuldzuweisungen wegen des Scheiterns des Projektes Mensch die verbale Keule und die Fäuste fliegen. Zwischendurch erfrischen sich die Herren mit einem Glas Roten aus einem pompösen Weihwasserbrunnen…

Horst Lohr
Stuttgarter Zeitung | 13.10.2013

Glänzendes Ensemble

Der Stammtisch kennt sie, und sie gehörte zum Grundbestand des Wiener Volkstheaters: die Komik, die aus der Trivialisierung biblischer Geschichten resultiert, aus Situationen, in denen Götter reden und sich verhalten wie ganz normale Menschen. Die Komik verdankt sich der Entlastung durch den Tabubruch und sie funktioniert umso besser, je stärker das Tabu in der Gesellschaft verankert ist – zum Beispiel im katholischen Tirol, wo Felix Mitterer aufgewachsen ist.

Edith Koerber hat Mitterers kleine »himmlische Komödie« bereits 1994 inszeniert. Jetzt macht sie einen zweiten Anlauf, und mit Alexej Boris als autoritärem und zugleich freundlich jovialem Gottvater, Manoel Vinicius Tavares da Silva als dessen mit seinem Schicksal hadernden Sohn, Marcus Michalski als sich anschleimendem Streber von Heiligen Geist, Severin Gmünder als saloppem Teufel…, und Sofie Alice Miller in allen weiblichen Rollen steht ihr ein glänzendes Ensemble zur Verfügung…

Drastisch wird daran erinnert, wohin die Aufforderung an die Menschen, sich die Erde untertan zu machen, geführt hat. Als Gott vor dem Teufel kapituliert und das Jüngste Gericht »hier und heute« unvermeidbar erscheint, greift die Mutter Gottes ein und verkündet, in sehr vereinfachter Form, die Wahrheiten, die uns die feministische Theologie gelehrt hat. Denn die Kritik am Christentum und am Patriarchat sind hier eins.

Thomas Rotschild