In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich (Alla mia età mi nascondo ancora per fumare)

Koproduktion: ATIR Teatro Ringhiera, Mailand (Italien) / Theater tri-bühne, Stuttgart
von Rayhana |
Regie: Serena Sinigaglia
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

»Wie ein Fächer Karten blättert sich in diesem Stück die Vielfalt der arabischen Frauen auf«, schrieb Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek über das in Paris uraufgeführte Bühnenwerk. »Auch wenn man die Verhältnisse nicht kennt, weiß man sofort: es ist wahr, was hier verhandelt wird.«

 

»›Rayhana‹ ist das Pseudonym einer algerischen Autorin. Es ist nicht so sehr ein Künstlername, sondern vielmehr musste die Schriftstellerin sich ein Pseudonym geben, um weiterhin das schreiben zu können, was sie denkt. Wohlgemerkt: Rayhana lebt im fortgeschrittenen, freien Frankreich. Und in diesem Frankreich, in dem Rayhana heute lebt und schreibt, wurde sie auf dem Weg zum Theater von einer Gruppe Radikalislamisten angegriffen. Die Gründe für diese Tat sind in ihrem bewundernswerten Text ›In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich‹ bloßgelegt.

Als ich ›In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich‹ gelesen hatte, erfasste mich ein aufwühlendes Glücksgefühl. Dieser Text, der geschmeidig unter meinen Augen floss, besaß alle Qualitäten (wie zum Beispiel chorische Merkmale), die ich seit jeher verzweifelt in einem Theatertext gesucht habe. Alle neun Rollen sind weiblich und jede Rolle hat ihre eigene Wichtigkeit, während normalerweise Theaterstücke meist zehn Rollen vorsehen, wovon vielleicht zwei weiblich sind. Außerdem transportiert der Text eine tragische Dimension, die jedoch mit großer Ironie und Selbstironie erzählt wird.

Die großen Themen der Gegenwart werden hier mit der Weisheit einer Frau angepackt, die diese Erfahrungen gut kennt, weil sie sie am eigenen Leib erfahren hat – und mit einer Leichtigkeit, die dem Text alleine schon reichlich Kraft und Energie verleiht. Kurzum, für mich als Regisseurin das Maximum, was ein Stück bieten kann. Eine echte, einfache, direkte Geschichte, voll von Leben und Widersprüchen – und vielleicht deshalb auch gefährlich.

Die Handlung spielt im heutigen Algier. Wir befinden uns im Hammam, einem Badehaus, an einem für Frauen reservierten Wochentag. Doch dieser Tag wird anders sein als alle anderen. Neun algerische Frauen sehen sich gezwungen, sich zu verbarrikadieren, um der Wut ihrer Verwandten und anderer Männer zu entkommen, die sich das Recht nehmen, eine von ihnen zu bestrafen, weil sie ohne Zustimmung der Eltern unverheiratet schwanger geworden ist.

Umgeben von Dämpfen und Wasser entsteht eine ganz besondere Intimität zwischen diesen Frauen. Sie enthüllen uns abwechselnd ihre Geschichten, ihre Hoffnungen, ihren Schmerz und ihre Wut. Der Hammam ist ein geschützter, ein schwebender Ort, fern vom Wirbel und Lärm der Stadt, warm und einladend, an dem man sich ›entblößen‹ und auch die empfindlichsten Geheimnisse anvertrauen kann.

Jede Figur hat ihren eigenen Blickwinkel und unterscheidet sich von der anderen durch Alter, gesellschaftliche Position, ein mehr oder weniger glückliches Schicksal, durch Hoffnung, Enttäuschung und religiöse Überzeugung. Eine Sache vereint sie jedoch alle: Die Rolle der Frau innerhalb einer Gesellschaft.

Und so tauchen wir in die Welt der islamischen Frauen ein, in ihre schwierige Koexistenz mit der patriarchalischen, scheinheiligen, gewalttätigen und repressiven Kultur ihrer Männer. Es ist eine Reise, die uns ergreift, die uns bewegt und zum Nachdenken anregt. Es ist sicherlich auch eine Anprangerung, denn niemand sollte dazu gezwungen werden, im Alter von zehn Jahren zu heiraten, auf das Studium zu verzichten oder Terrorist zu werden, um sich von einem Leben aus Missbrauch und Ungerechtigkeiten zu befreien.«

Serena Sinigaglia