Falle

Falle

Ein Stück über Franz Kafka
von Tadeusz Rózewicz |
Regie: Gábor Zsámbéki

»Ja… Eltern! Immer tauchen irgendwelche Eltern auf, sie krauchen aus allen Ecken… wie Mäuse…« sagt Franz Kafka zu seinem Freund Max Brod.

Tadeusz Rózewicz bringt damit in seinem Stück »Die Falle« Kafkas existenzielles Problem auf den Punkt. In vierzehn fesselnden Szenen umreißt der polnische Autor die komischen, traurigen, grotesken und tragischen Aspekte im Leben eines der größten deutschsprachigen Schriftsteller. Fantasie und Realität, bürgerliche Existenz und Künstlerdasein, Liebe und körperliche Nähe sind dabei für Kafka Gegensatzpaare, die nur schwer und oft auch gar nicht unter einen Hut zu bringen sind. Allen voran der Vater, aber auch die Frauen und der eigene Körper sind die Gegner Kafkas im Kampf um das geschriebene Wort.

Und Rózewicz zeigt eines ganz deutlich – zum feinsinnigen Vergnügen des Publikums: Nicht nur Kafka verzweifelt an seiner Umwelt, sondern er ist ungemein findig, tatsächliche oder vermeintliche Widersacher um sich herum an den Rand des Nervenzusammenbruchs zu treiben.

Premiere am Freitag, dem 19. Dezember 1997.
Die Aufführungsrechte liegen bei der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertiebs GmbH, Berlin.

Kritiken

KULTUR | 1.2.1998

Sichtliches Vergnügen

»Die gelungene Inszenierung im Theater tri-bühne setzt zum einen die Tradition des Hauses mit Aufführungen osteuropäischer Autoren und zum anderen die Reihe beachtlicher Regieleistungen des ungarischen Regisseurs an diesem Ort fort.

Zsámbéki… hat zunächst einmal den Dialog in seinem schnörkelfreien Sprachduktus ernst genommen und in schöner Zusammenarbeit mit Csörsz Khell (Bühnenbild) Bilder entworfen, bei denen er mit sichtlichem Vergnügen sowohl auf das expressionistische wie auf das absurde Theater tschechischer Provenienz zurückgreift… Stilisierungen und groteske Überzeichnungen sorgen dafür, daß das gebannte Starren auf eine ferne Dichterexistenz immer wieder von eigenen Erlebnissen mit schicksalsmächtigen Familienbanden durchlöchert wird…«

Gabriele Hoffmann
Stuttgarter Zeitung | 22.12.1997

Beeindruckende Balance

»Der ungarische Regisseur Gábor Zsámbéki, der nicht zum ersten Mal an der tri-bühne inszeniert, hat die Akteure zu einer beeindruckenden Balance zwischen einem psychologisch-einfühlsamen und einem stilisierten Spiel verführt. Er hat das Ensemble, allen voran Robert Atzlinger als Franz Kafka, auf einen Standart gehoben, der den für Kleintheater häufig beanspruchten Bonus überflüssig macht. Das ebenso funktionale wie schöne Bühnenbild von Csörsz Khell verdoppelt den auf der Bühne mehrfach aufgestellten Schrank, in dem Menschen vorübergehend verschwinden…

Wer Kafkas Werk kennt, hat mehr von dieser Aufführung. Wer es nicht kennt, wird durch sie vielleicht zur Lektüre angeregt. So oder so: ein Gewinn.«

Thomas Rothschild
Stuttgarter Nachrichten | 22.12.1997

Ein grandioses Ensemble

»Der Vater und seine Fleischeslust; Frauen, die geheiratet (und versorgt) werden wollen, und immer wieder Schränke: Mit wenigen, eindringlich gestalteten und variierten Motiven stattete der polnische Autor Tadeusz Rózewicz sein 1983 in Norwegen uraufgeführtes Stück über Franz Kafka aus…

In der Stuttgarter tri-bühne hatte ›Die Falle‹ jetzt Premiere. Mit einem grandiosen Ensemble, einer exzellenten Regie und einer Atmosphäre, die einem den Atem zu rauben droht. In 14 Szenen… werden der Werdegang und das soziale Umfeld eines Dichters definiert, dem als Sechs-jähriger angekündigt wurde, ›wie ein Frosch auseinandergerissen‹ zu werden. Damals drohte ihm der cholerische Vater (Martin Schwartengräber spielt ihn als hilflos polternden Sadisten). Später wurde Kafka (zurückhaltend und bis in die Fußspitzen unter Spannung stehend: Robert Atzlinger) tatsächlich zerrissen: von den Frauen, denen er in einer merkwürdigen Haßliebe ergeben war, von den eigenen moralischen Ansprüchen und vom Mangel an kultureller und geistiger Identität.

›Die Falle‹, die Gábor Zsámbéki sehr überzeugend in Szene gesetzt hat, erzählt von allem und wird so zu einer Charakterstudie, die weit über das literarische Phänomen Kafka hinausgeht. Nicht der Dichter, sondern der Mensch Kafka und all jene, die mit und unter ihm litten, sind von Interesse. Dabei werden Angst und Genialität, Hellsicht und Halluzination, (Alp-)Traum und brutale Wirklichkeit im ausgehenden 19. Jahrhundert zu gedanklichen Fixpunkten…«

Hanna Mainzer
Südwestdeutscher Rundfunk | 20.12.1997

Ein großer Theaterabend

»Gabor Zsámbéki entwickelt einen phantastischen Bilderbogen aus 14 Szenen. Ein katholischer Pole wie Rózewicz wird sicher die 14 Kreuzwegstationen darin andeuten wollen. Und so steigert Zsámbéki das Lebenspralle Spiel von den zaghaften Erinnerungen des Sechsjährigen über die biblische Horrorgeschichte vom Opfer Abrahams, der um ein Haar seinen Sohn Isaac geschlachtet hätte, bis zum Umkehrschluß, wo Kafkas haßgeliebter Vater sich in ein wimmerndes Baby verwandelt, das stirbt und dem das Ensemble den Kadish sagt…

Auch wer wenig über Kafka weiß, muß diesen grandiosen Untergang eines Menschen, eines Dichters, in all seiner Komik und seinem Grauen als einen großen Theaterabend erleben können…

Der Beifall war stark und lang.«

Winfried Roesner