Woyzeck

Ein Fragment
von Georg Büchner |
Regie: Dániel Kovács

»Ein guter Mord, ein echter Mord, ein schöner Mord, so schön als man ihn nur verlangen tun kann, wir haben schon lange so kein gehabt.«

»Woyzeck« ist ein Krimi. Die Szenen des Dramenfragments ergeben keine zwangsläufige Reihenfolge, so dass verschiedene Annäherungen möglich sind. Aber jeder Handlungsverlauf, den man wählt, führt zwangsläufig zum Mord.

»Woyzeck« ist insofern ein Krimi, wie »Hamlet«, »Oidipus der Tyrann« oder viele andere Dramen. Das Stück ist zugleich viel mehr als nur ein Krimi, denn es transportiert einen Strom von philosophischen Reflexionen und politischer Gedanken: »Wir arme Leut. Sehn Sie, Herr Hauptmann, Geld, Geld. Wer kein Geld hat. Da setz eimal einer seinsgleichen auf die Moral in die Welt. Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unseins ist doch einmal unselig in der und der andern Welt, ich glaub‹ wenn wir in Himmel kämen so müssten wir donnern helfen.«

Kritiken

Stuttgarter Nachrichten | 24.2.2013

Clever, unterhaltsam, ernsthaft

Georg Büchners »Woyzeck« im Theater tri-bühne: Doktor, Hauptmann und Marie hetzen Woyzeck durchs Stück, der Tambourmajor prügelt ihn irgendwann kreuz und quer über die Bühne. Dániel Kovács inszeniert das Dramenfragment. Links die Kajüten, in der Mitte zwei Kloschüsseln und eine erhöhte Bühne für den Doktor und seine mit medizinischen Fachbegriffen getränkten Reden. Kovács’ clevere Idee: Große Laken aus Folie, über die Bühne gespannt, ersetzen später den See, über Gerüsten werden sie zur Hauswand…

Marcus Michalski macht die Entwicklung des mittellosen Woyzecks sicht- und hörbar. Wirft ihm sein Hauptmann anfangs Morallosigkeit vor, nickt er noch gelassen ab. Wissend, dass Armut und Tugendhaftigkeit sich oftmals behindern… Erfährt er schließlich von Maries Affäre, brüllt er sein Ungerechtigkeitsempfinden in die Ränge.

Für launige Auflockerung an den richtigen Stellen sorgen die Nebencharaktere, allen voran der Doktor (Severin Gmünder) im weißen Kittel mit schwarzen Handschuhen. Aus dessen Käfig, viel zu eng für eine Katze, ragen die Beine des Fellknäuels in alle Himmelsrichtungen: Ein Experiment, das vermutlich Peta auf den Plan rufen würde -- die Katzenschmerzensschreie sind ja aber zum Glück vom Band.

Kovács’ »Woyzeck« unterhält, ohne die ernsthaften Botschaften des Stücks zu vernachlässigen. Zum ethischen Verhalten fehlen ja nicht nur einem Woyzeck die Mittel. Wo Existenzängste herrschen, sind Tugenden zweitrangig. Von Anstand, Moral und der Dekadenz andernorts sprechen ja nicht selten Damen in teuren Kleidern und Herren in preiswerten Turnschuhen.

Cornelius W. M. Oettle