Betrogen

Betrogen

von Harold Pinter |
Regie: Gábor Zsámbéki

Drei Menschen, eng miteinander in Ehe, Liebe und Freundschaft verbunden. Eigentlich könnte das Leben so schön sein! Leider funktionieren Ehe, Liebe und Freundschaft eine lange Zeit hindurch nur vordergründig, denn jeder betrügt jeden in diesem Dreieck.

Harold Pinter, ein Großmeister des britischen Dramas unserer Epoche, verwendet eine ungewöhnliche dramaturgische Konstruktion: Das Stück beginnt am Ende und endet am Anfang. So entlarvt Pinter den hohlen Pathos von heißen Liebesschwüren und innigen Freundschaftsbezeugungen; er zeigt mit einem ironischen Augenzwinkern auf, daß die Basis des Betrügens der Selbstbetrug ist.

Premiere am Freitag, dem 29. Januar 1999.
Die Aufführungsrechte liegen bei der Rowohlt Verlags GmbH, Hamburg.

Kritiken

PRINZ | 1.3.1999

Exzellent

»Die Story klingt banal: Die Galeristin Emma hat sieben Jahre lang eine Affäre mit dem Literaturagenten Jerry, der pikanterweise der beste Freund ihres Mannes ist. Das Raffinierte daran: Der englische Dramatiker Harold Pinter rollt die Dreiecksgeschichte mit all ihren perfiden Lügen vom Ende her auf und arbeitet sich in neun Szenen bis zum Anfang vor. Gábor Zsámbéki kommt in seiner wunderbar verhaltenen Inszenierung ohne Showeffekte aus und setzt ganz auf die exzellenten, differenziert agierenden Darsteller aus.«

Karin Scharschmied
Stuttgarter Zeitung | 1.2.1999

Hochgenuß

»Gábor Zsámbéki inszeniert in der tri-bühne Pinters Werk als eine Tragödie, die keine hat werden wollen. Alle Figuren des Stückes verfolgen die undramatische Absicht, aus der Liebe kein Ehedrama werden zu lassen. Die Begegnung in der Bar, mit der die Aufführung beginnt, findet sozusagen eine Sekunde nach jenem Augenblick statt, in dem der Prozeß der Verdrängung endgültig geglückt zu sein scheint. Das Spiel, das daraufhin auf der Bühne abläuft, ist eine Anamnese, in der gerade das wieder aufersteht, was vermeintlich erfolgreich verdrängt worden ist.

Die schauspielerisch schwierigste Szene ist daher die erste, denn sie beginnt gewissermaßen am Nullpunkt der Gefühle. Die Figuren haben nichts zu sagen, denn sie wissen und wagen sich nichts zu sagen. Für solche Szenen, für das Suchen nach Worten, ist Zsámbéki, der seine Inszenierungen lieber flüstert als pathetisch zur Schau stellt, der geeignete Regisseur. In Kathrin Hildebrand hat er eine Schauspielerin gefunden, die es versteht, die lauten Bewegungen des Herzens in leisen Andeutungen nach außen zu tragen. Durch das ganze Stück hindurch bleibt sie ein Bild aus Vorsicht und Zurückhaltung. Ihr Herz zeigt sich in einer Mimik, die sie nur tropfenweise unter die deutlicheren Gesten ihrer beiden Männer mischt. Ihre Gestalt zeichnet sich auf dem schwarzen Hintergrund der Bühne wie eine zarte Note ab. Mit ihrer Hilfe verwandelt Zsámbéki die minimalistische Kunst Pinters in kleine Musik…

Zsámbékis Inszenierung ist ein Eiertanz, artistisch, lukullisch, ein Hochgenuß für den Liebhaber temperierter Töne.«

Hannelore Schlaffer
Stuttgarter Nachrichten | 1.2.1999

Raffiniert

»Eine Dreiecksgeschichte, ein Puzzle, eine Fallstudie. Wie bei einem Knoten entwirrt der englische Dramatiker Harold Pinter in seinem Kammerspiel ›Betrogen‹ die großen und kleinen Schlingen, die drei wohlsituierte Intellektuelle miteinander verbinden. Er beginnt mit dem Ende, folgt dem roten Faden, um beim Anfang anzukommen.

Eine raffinierte Konstruktion in neun kurzen Szenen. Das Stück beginnt in der Gegenwart, es ist das Jahr 1977. Emma und ihr Ex-Geliebter Jerry treffen einander in einer Bar. Es ist die erste Begegnung seit ihrer Trennung vor zwei Jahren. Emma ist inzwischen anderweitig liiert, ihre Ehe mit dem Verleger Robert vollends zerrüttet. Und auch die Freundschaft, die Jerry und Robert ursprünglich verband, ist zerstört. Der große Scherbenhaufen wird zum Anlaß einer gemeinsamen Retrospektive, in der sich Erinnerungsfetzen wie Teile eines Puzzles ergänzen: der Zeit vom Ende (1975) bis zum Anfang (1968) einer Dreiecksbeziehung, die schon am Anfang am Ende war…

Gábor Zsámbéki, der das Stück in der tri-bühne inszeniert hat, erweist sich mit seiner Lesart wieder einmal als Detailforscher, als Menschenbeobachter und Philologe. Sein Interesse gilt nicht der Betrugsgeschichte an sich, nicht dem spitzfindigen dramaturgischen Aufbau, sondern dem Wort, der Argumentationsweise und dem Ausdruck von Gefühlen. Kurz: Es geht um Menschen, die sich hinter ihren Phrasen verstecken wie hinter Fassaden, die sie dank sorgsam gepflegter Intellektualität instand halten können.«

Hanna Mainzer