In weiter Ferne

In weiter Ferne

von Caryl Churchill |
Regie: Cilla Back

Ein Krieg zwischen Krokodilen, portugiesischen Autoverkäufern, Zahnärzten, Franzosen, Rehen, Kindern unter fünf, Letten und dem mit den Kubanern verfeindeten Wetter – Die Welt, die Caryl Churchill in ihrem Stück beschreibt, ist voll Surrealismus, Ironie, grotesken Situationen. Zuweilen fühlt man sich in das Wunderland von Lewis Caroll versetzt. Nicht nur, weil in beiden Texten, wenn auch unter höchst unterschiedlichen Vorzeichen, Hutmacher eine wichtige Rolle spielen.

Allerdings ist der Hintergrund von »In weiter Ferne« ein ernster: eine alptraumartige Welt im Zerfall und totalen Kriegszustand, in der sich die Protagonisten einen Rest von scheinbarer Normalität zu wahren versuchen.

Premiere am Samstag, dem 8. Juni 2002.
Die Aufführungsrechte liegen beim Projekt Theater & Medien Verlag, Köln.

Kritiken

KULTUR | 1.7.2002

Aktuell, spannend, bewegend

»Der Abend ist verstörend. Die Atmosphäre beklemmend. Absurd. Es ist noch lange nicht alles gesagt, nicht alles zu Ende gedacht.

›In weiter Ferne‹ lautet der Titel dieses ungewöhnlichen Stücks, das die britische Dramatikerin vor zwei Jahren geschrieben hat… Nun ist es an der tri-bühne zu sehen, in der einfühlsamen, klaren und couragierten Handschrift der jungen Finnin Cilla Back…

Es hinterlässt eine tiefe Ratlosigkeit, die durch die subtile Machart des Stücks, die feinfühlige Musikauswahl und nicht zuletzt durch die hochkonzentrierten Schauspieler bis zum Schluss bedient wird. ›In weiter Ferne‹ dürfte zu den aktuellsten, spannendsten und bewegendsten Stücken unserer Tage gehören.«

Helga Stöhr-Strauch
Stuttgarter Nachrichten | 10.6.2002

Ungemein dicht, sehr sinnlich

»Eine verstörende und surreale Inszenierung von Caryl Churchills Drama ›In weiter Ferne‹ hat die erst 31-jährige Finnin Cilla Back am Samstag bei der Premiere im Stuttgarter Theater tri-bühne dem Dreigestirn Joan (Julia Bardosch), deren Tante Harper (Kathrin Hildebrand) und Todd, einem jungen Mann und Freund Joans (Burkhart Siedhoff), auf Gesichter und Körper geschrieben…

Wir werden Zeugen verbaler und körpersprachlicher Bekenntnisse der Protagonisten, die dem Sinngehalt von Nachrichtenmeldungen gleichen, freilich surreal oder ironisch verfremdet…

Caryl Churchills Albtraum, dass die Welt allmählich zerfällt, jeder gegen jeden kämpft, Menschen, Tiere, Pflanzen gar, setzt auch die atmosphärisch ungemein dichte, sehr sinnliche Inszenierung von Cilla Back, die auch die Kostüme entwarf, keine lichtere Gesellschaftsvision entgegen. Das Sich-Einrichten im grotesken Chaos wird zur Normalität.«

Brigitte Jähnigen
Stuttgarter Zeitung | 10.6.2002

Ein wunderbar absurdes Stück

»Wunderschöne, zarte Bilder hat Regisseurin Cilla Back choreografiert, den Gesten und dem Spiel denselben Stellenwert wie der assoziativen, kraftvollen Sprache der britischen Autorin eingeräumt. Joan und Todd fertigen Hüte, kämpfen gegen soziale Ungerechtigkeit, beinahe könnte die Geschichte gewöhnlich werden, schwebte nicht die verstörende Absurdität über der Bühne, wären da nicht die neurotischen Angewohnheiten, die zu großen Gesten, und wäre da nicht die bizarre Auflösung, wozu die beiden die Hüte fertigen: für Paraden, deren Protagonisten getötet werden…

In diesem Krieg entwickeln sich groteske Feindbilder. So sind Kinder unter fünf Jahren mindestens so gefährlich wie Rehe, die in Einkaufspassagen dringen und die Verkäufer zu Fall bringen. Mit wem ist man verbündet, wer ist Freund, wer Feind, nichts ist mehr klar. So wird der Irrsinn des Krieges durch maßlose Übertreibung verdeutlicht. Ein wunderbar absurdes Stück, gekonnt umgesetzt und von den drei Schauspielern präzise gespielt.«

Nicole Buck